Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 01.02.2000
Aktenzeichen: 5 U 7418/98
Rechtsgebiete: UWG
Vorschriften:
UWG § 3 |
UWG § 3
Es stellt einen Verstoß gegen § 3 UWG dar, wenn eine Bank ihren Kunden bei der Kontostandsabfrage ein Guthaben mitteilt, das in dieser Höhe gar nicht besteht, weil die Wertstellung eingegangener Beträge noch nicht erfolgt ist. Sie täuscht so über die Höhe ihrer Schuld und vermittelt den unzutreffenden Eindruck, der Kunde könne den angezeigten Betrag abheben, ohne Überziehungszinsen zahlen zu müssen.
Die Bank handelt auch im geschäftlichen Verkehr, weil die anfallenden Überziehungszinsen ihre Marktposition stärken. Kammergericht, 5. Zivilsenat
Urteil vom 1. Februar 2000 - 5 U 7418/98 - nicht rechtskräftig
KAMMERGERICHT
Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer: 5 U 7418/98 15 O 132/98 LG Berlin
Verkündet am: 1. Februar 2000
Lohey, Justizsekretärin
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bornemann, die Richterin am Kammergericht Prietzel-Funk und den Richter am Kammergericht Crass auf die mündliche Verhandlung vom 1. Februar 2000 für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 11. August 1998 verkündete Urteil der Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin geändert:
Die Beklagte wird unter Androhung eines für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihrem Vorstandssprecher, verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Kunden, mit denen ein Girovertrag geschlossen worden ist, im Rahmen der Nutzung der eigenen Geldautomaten Kontensalden mitzuteilen, die auf Grund von Buchungsvorgängen ohne Berücksichtigung der Wertstellung berechnet worden sind.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers wegen der Hauptforderung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 90.000,00 DM und wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages zuzüglich 10 % abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Beschwer der Beklagten beträgt 90.000,00 DM.
Tatbestand
Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverein. Zu seinen satzungsgemäßen Aufgaben gehört es, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen und zu fördern. Nach der Satzung hat er insbesondere den Zweck, unlauteren Wettbewerb zu unterbinden, der sich zum Nachteil der Verbraucher auswirkt. Zu seinen Mitgliedern zählen die Verbraucherschutzzentralen sämtlicher Bundesländer, die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände e. V. und die Stiftung Warentest.
Zum Konzern der Beklagten gehört die Berliner Sparkasse, in deren Filiale 202 M K am 29. September 1997 am Geldautomaten 1.000,00 DM abhob, nachdem sie den Kontostand abgefragt und die Auskunft erhalten hatte, dass das Konto ein Guthaben in 1.000,00 DM übersteigender Höhe aufweise. Dies traf nicht zu, weil die als gutgeschrieben berücksichtigte Rentenzahlung zwar von der Rentenkasse bereits angewiesen war, die Wertstellung auf das Konto der Zeugin aber erst für zwei Tage später vorgenommen wurde. Die Beklagte stellte der Zeugin Überziehungszinsen in Rechnung. Hintergrund ist, dass die Rentenversicherungsträger die Datenbänder mit den Überweisungsaufträgen vor dem Rentenfälligkeitszeitpunkt an die Banken mit der Anweisung übermitteln, Wertstellung nicht vor Fälligkeit vorzunehmen. Die Beklagte spielt die Bänder wegen des Datenumfanges früher ein, was dazu führt, dass schon vor Wertstellung die Rentenbeträge bei Betätigung der Funktionstaste "Kontostand" mit angezeigt werden.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung wegen Verstoßes gegen § 3 UWG in Anspruch. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte handele zu Zwecken des Wettbewerbs. Der Kunde werde zu Barabhebungen verleitet, da er irrig annehme, er verfüge über ein Guthaben, und müsse dann Sollzinsen zahlen, die bei richtiger Mitteilung über die Höhe des Guthabens nicht angefallen wären.
Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Kunden, mit denen ein Girovertrag geschlossen worden ist, im Rahmen der Nutzung der eigenen Geldautomaten Kontosalden mitzuteilen, die auf Grund von Buchungsvorgängen ohne Berücksichtigung der Wertstellungen berechnet worden sind.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, es liege ein wettbewerblich neutrales Verhalten vor. Jedenfalls fehle es an ihrer Wettbewerbsabsicht.
Das Landgericht hat die Klage gemäß dem Urteil vom 11. August 1998 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte handele nicht zu Zwecken des Wettbewerbes. Eine Absicht zur Förderung des Absatzes von Überziehungskrediten sei nicht feststellbar. Allerdings dürfe die Beklagte das sich mit dem offensichtlichen Softwareproblem nicht für alle Zukunft entschuldigen.
Gegen dieses Urteil, das ihm am 7. September 1998 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 1. Oktober 1998 Berufung eingelegt und diese am 27. Oktober 1998 be- gründet.
Er rügt: Es bestehe eine Vermutung für ein Handeln zu Wettbewerbszwecken. Diese Vermutung habe die Beklagte nicht widerlegt. Sie habe in Kenntnis des Buchungsproblems die irreführenden Mitteilungen der falschen Kontostände mit der Folge des Fälligwerdens von Überziehungszinsen fortgesetzt. Es sei evident, dass sie den eigenen Wettbewerb begünstigen wolle.
Der Kläger beantragt,
was erkannt worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert: Der vorgetragene Sachverhalt habe keine wettbewerbliche Relevanz. Ihr Verhalten sei weder dazu geeignet noch bestimmt, sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Bankinstituten zu verschaffen. Die Anzeige "Kontostand" sei eine Serviceleistung, die alle Bankinstitute anböten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers erweist sich als begründet. Ihm steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 3 UWG zu.
Die Klagebefugnis des Klägers folgt aus § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG.
Das von dem Kläger angegriffene Verhalten der Beklagten ist als irreführend i. S. d. § 3 UWG anzusehen. Die Beklagte täuscht über ihre geschäftlichen Verhältnisse. Denn sie vermittelt dem Kunden den unzutreffenden Eindruck, dass sie Schuldnerin des auf Grund der Kontostandsabfrage ausgewiesenen Betrages ist. Sie täuscht den Kunden damit auch über die Höhe des Betrages, den er abheben kann, ohne mit Überziehungszinsen belegt zu werden. Denn ein Kunde, dem ein Guthaben von "x" DM angezeigt wird, kann davon ausgehen, dass ein solches Guthaben aktuell vorhanden ist. Jedenfalls nicht weniger als 15 % der Kunden - vermutlich sogar fast alle - werden davon ausgehen, dass ihnen aktuell ein Guthaben in Höhe des angezeigten Betrages zusteht und sie daher, ohne das Konto zu überziehen, den angezeigten Betrag abheben können. Die Täuschung über das vorhandene Guthaben ist geeignet, die Überziehung des Kontos zu fördern und damit Überziehungszinsen auszulösen, welche die Beklagte bei Angabe des "werthaltigen" Guthabens nicht erzielt hätte. Dass es Kunden geben wird, die den angezeigten Betrag in voller Höhe abheben und so Überziehungszinsen auslösen, steht zur Überzeugung des Senats, dessen Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen, fest und wird durch das Beispiel der Frau K bestätigt. Es kommt noch hinzu, dass es auch Kunden geben wird, die über Guthaben bei verschiedenen Bankinstituten verfügen. Würde ihnen das Guthaben von der Beklagten in zutreffender Höhe angegeben, könnten sie sich entschließen, etwaige Abhebungen woanders vorzunehmen, ohne das dort vorhandene Guthaben überziehen zu müssen.
Es kann somit keinem Zweifel unterliegen, dass die von der Beklagten ausgehende Irreführung die erforderliche wettbewerbsrechtliche Relevanz besitzt.
Die Beklagte handelt auch im geschäftlichen Verkehr und - entgegen der Auffassung des Landgerichts - zur Förderung ihres Wettbewerbs. Der Begriff des geschäftlichen Verkehrs, der klarstellt, dass der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung allein der geschäftliche Wettbewerb unterliegt, ist weit auszulegen. Er erfasst alle Maßnahmen, die auf die Förderung eines beliebigen Geschäftszwecks gerichtet sind (vgl. Köhler/ Piper, UWG, Einf. Rdnr. 156). In diesem Sinne gehört auch das hier interessierende Verhalten der Beklagten zum geschäftlichen Verkehr. Sie handelt auch zu Zwecken des Wettbewerbs. Dazu ist erforderlich, dass das Verhalten objektiv geeignet ist, den eigenen oder fremden Wettbewerb zum Nachteil eines anderen zu begünstigen, und dass der Handelnde dabei in subjektiver Hinsicht mit entsprechender Absicht tätig geworden ist und diese Absicht nicht völlig hinter anderen Beweggründen zurücksteht (vgl. BGH GRUB 1992, 707 - "Erdgassteuer"). Das bedeutet, dass das Handeln geeignet sein muss, die Wettbewerbsstellung irgendwie günstig zu beeinflussen (vgl. GK-UWG/Schünemann Einl. D Rdnr. 199). Für ein Handeln in Wettbewerbsabsicht spricht auch dann eine Vermutung, wenn Handelnder die öffentliche Hand im Rahmen ihrer erwerbswirtschaftlichen Betätigung ist (Köhler/Piper a. a. O. Rdnr. 168). Diese Vermutung ist hier nicht widerlegt. Insbesondere kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihre Softwareprogramme ein anderes Verhalten nicht zulassen. Es erscheint kaum vorstellbar, dass die Beklagte, die auf dieses Problem spätestens Anfang 1998 hingewiesen worden ist, nicht in der Lage ist, ihre Software entsprechend umzustellen. Sie geht auch von ihrer Praxis nicht ab, auch den Kunden, die auf Grund der Irreführung ihr Konto überziehen, Überziehungszinsen in Rechnung zu stellen und - auch auf entsprechende Nachfrage - an dem daraus resultierenden Saldo festzuhalten. Sie ist damit ersichtlich an den Zinsmehreinnahmen, die ihr aufgrund der beanstandeten Praxis entstehen, interessiert. Ihre Wettbewerbsabsicht drückt sich jedenfalls in der Weise aus, dass ihr der Zinsfluss willkommen ist. Damit stärkt sie ihre Stellung am Markt - auch gegenüber konkurrierenden Instituten. Es braucht insoweit der Frage nicht nachgegangen zu werden, ob sie auf diese Weise anderen Instituten Kunden entzieht. Das ist noch nicht einmal unwahrscheinlich, da es - wie oben ausgeführt - Kunden geben wird, die auch bei anderen Instituten Konten unterhalten. An der Wettbewerbsabsicht der Beklagten bestehen auch dann keine Zweifel, wenn man unterstellt, dass viele oder gar alle Konkurrenzinstitute sich genauso verhalten, was sehr zu bedauern wäre. Denn der Zinszufluss, den die Beklagte auf diese Weise verzeichnet, stärkt ihre Stellung am Markt auch dann, wenn andere Institute sich ebenso verhalten.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 und 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.